So schließt sich der Kreis - Die Brücke zwischen Mundl und Diogenes
Zwei Irritationen ihrer Zeit
„Denn Staunen veranlasste zuerst wie noch heute die Menschen zum Philosophieren“, stellt Aristoteles für alle Zeiten fest (Metaphysik 982b). Nachdenkliches Fragen gedeiht eben nicht auf dem Boden eingeübter Routinen; es braucht das Unerwartete, die Abweichung, das Neue und Störende, um in Gang zu kommen. Die Anlässe dafür sind Legion und können auch im Verhalten anderer liegen.
Das Bild des Aussteigers, dem ein leeres Fass als Behausung dient und dessen Lebensform gesellschaftliche Normen provoziert, hat Diogenes von Sinope nachhaltig geprägt. Noch heute gilt der antike Denker aus dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung als Ikone philosophischen Freimuts. Der Legende nach soll er Alexander (den späteren Großen) aufgefordert haben, ihm aus der Sonne zu gehen. Mit dem sprichwörtlichen Satz wies er zugleich potenzielle Wohltaten des Herrschers von sich. Solche Anekdoten über das unangepasste Verhalten des Kynikers zeugen von solide ausgeprägtem philosophischen Aktionismus.
Im fehlenden Respekt vor politischen Autoritäten und überkommenen Gepflogenheiten reichen sich zwei überwiegend fiktionale Kultfiguren über die Jahrhunderte hinweg die Hände: Diogenes, dessen Schriften verloren gegangen sind und dessen Erinnerung manch witzig-provokativer Spruch bewahrt, und Edmund „Mundl“ Sackbauer, der Anti-Held aus der von 1975 bis 1979 vom ORF produzierten Fernsehserie Ein echter Wiener geht nicht unter von Ernst Hinterberger. In teils derber Wortwahl bringt Mundl – kongenial dargestellt vom unvergesslichen Karl Merkatz – nicht nur den Typus des grantelnden Wiener Proleten auf die Bildschirme des österreichischen Fernsehzeitalters, sondern setzt obendrein die Spannung zwischen der Verwurzelung im Alltäglichen und einem platonischen Ideenhimmel recht eindrücklich in Szene. Bei Letzterem handelt es sich derzeit noch um eine ideengeschichtliche Hypothese. Weitere Forschungen in Gestalt der wiederholten Sichtung der 24 Mundl-Folgen sind gewiss erforderlich.
PS: Punkto Bedürfnislosigkeit reichen Mundls Präferenzen nahe an jene des Diogenes heran. Auch er erkennt familiäre Bande vorrangig als Last, benötigt keinen Becher, um zu trinken, und führt im Grunde ein genügsames Leben (solange genug Gerstensaft vorhanden ist).